Opposition kritisiert GroKo-Plan 

  16 September 2020    Gelesen: 768
Opposition kritisiert GroKo-Plan 

1553 weitere Geflüchtete will die Bundesregierung aus Griechenland aufnehmen, doch die Opposition ist unzufrieden: Grüne und Linke fordern mehr deutsches Engagement, die FDP hält die Zahl für "aus der Luft gegriffen".

Früher als erwartet haben sich Union und SPD auf die Aufnahme von weiteren Geflüchteten aus Griechenland geeinigt. Doch der Plan der Bundesregierung, nach der Brandkatastrophe im Lager Moria 1553 Menschen von fünf griechischen Inseln aufzunehmen, stößt bei der Opposition auf Kritik.

Grünen und Linkspartei geht die Einigung nicht weit genug. In einem am Dienstagabend verbreiteten Papier prominenter Grünen-Politiker aus Bundestag und Europaparlament wird das deutsche Angebot als "völlig ungenügend" bezeichnet. Es liege weit unter dem, was Bundesländer und Kommunen an Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen können. Alle Geflüchteten aus Moria müssten jetzt zügig von der Insel Lesbos evakuiert und in europäische Länder verteilt werden. Den Wiederaufbau geschlossener Lager lehnen die Grünen ab.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, sagte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND): "1500 sind natürlich besser als nichts. Das ist aber trotzdem für eines der reichsten Länder der Europäischen Union inakzeptabel.

Mehr als 12.0000 Menschen obdachlos
Kritik an der Verständigung in der Koalition kommt auch von der FDP. Fraktionsvize Stephan Thomae nannte die Zahlen der Bundesregierung "aus der Luft gegriffen". Thomae forderte in der "Augsburger Allgemeinen" eine Nothilfe nach sachlichen Kriterien statt Zahlenvorgaben. "Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unter 14 sowie Erkrankte und ihre Familien müssen unverzüglich nach Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten evakuiert werden", sagte Thomae.

Der verheerende Brand im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos hatte mehr als 12.000 Migranten obdachlos gemacht und vor allem in Deutschland eine Debatte über die Aufnahme von Menschen von dort ausgelöst. Union und SPD haben sich nun bereiterklärt, 408 Familien mit Kindern aufzunehmen, die in Griechenland bereits als schutzbedürftig anerkannt wurden. Am Abend sprach Merkel mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis am Telefon darüber, wie es in knappen Mitteilungen von Regierungssprecher Steffen Seibert und des Büros des griechischen Premiers hieß.

Die Aufnahme ist ein zweiter Schritt, nachdem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Freitag mitgeteilt hatte, Deutschland werde bis zu 150 von insgesamt 400 unbegleiteten Minderjährigen aus Moria aufnehmen. Die übrigen Jugendlichen sollen auf andere europäische Länder verteilt werden. In einem dritten Schritt sollen laut Bundesregierung gegebenenfalls weitere Menschen aufgenommen werden, sollte es dazu Vereinbarungen mit weiteren europäischen Staaten geben.

Kritische Stimmen in der Unionsfraktion - aber Rückendeckung für die Einigung
In der Unionsfraktion hatten am Dienstag sowohl Merkel als auch Seehofer für den neuen Kompromiss geworben. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise seit 2015 hatten sich Merkel und der damalige CSU-Chef Seehofer erbitterte Auseinandersetzungen über die Ausrichtung der Migrationspolitik geliefert. Diesmal waren sich beide schnell einig. "Es war nach sehr kurzer Zeit klar, dass wir keinen Dissens haben, nicht einmal den geringsten Dissens", sagte Seehofer am Dienstagabend. Die Unionsfraktion stellte sich hinter die Pläne. Es habe einige kritische Stimmen gegeben, die vor einem deutschen Alleingang gewarnt hätten, hieß es am Dienstagabend aus Teilnehmerkreisen.

Der CDU-Innenexperte Armin Schuster verteidigte den Kompromiss, mit dem die Union "ihren Weg einer Balance zwischen Humanität und Ordnung" konsequent fortsetze. "Für die Union hat Priorität, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholen darf und wir unsere europäischen Partner nicht vor den Kopf stoßen", sagte er dem RND. Seehofer hatte von einer "verantwortbaren Lösung" gesprochen, "die sicherstellt, dass sich das Jahr 2015 nicht wiederholt".

Der Parlamentarische Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU) bezeichnete die Absicht zur Aufnahme von mehr als 1500 Migranten als "Vorschlag an die griechische Regierung". Parallel dazu werbe man "weiterhin auf allen Ebenen und aus voller Überzeugung für weitere Willige innerhalb der EU", sagte Mayer der "Passauer Neue Presse".

Städtetagspräsident: Verteilung von Geflüchteten wohl nach Königsteiner Schlüssel
Auch der Deutsche Städtetag begrüßte den Kompromiss in der Koalition. "Ich bin froh, dass sich Deutschland nach dem Brand in Moria dafür entschieden hat, allein mutig voranzugehen. Auf die schon lange stockende Reform des europäischen Asylsystems zu warten, wäre ein Fehler gewesen", sagte Städtetagspräsident Burkhard Jung (SPD) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Doch müsse diese Reform endlich gelingen, mahnte der Leipziger Oberbürgermeister.

Jung ging davon aus, dass die Geflüchteten nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel unter Berücksichtigung von Bevölkerungszahl und Steuereinnahmen auf die Bundesländer verteilt werden. "Anschließend sollten besonders die Städte berücksichtigt werden, die ihre Bereitschaft zur Aufnahme erklärt haben."

Auf der griechischen Insel Samos brach am Abend oberhalb des Flüchtlingslagers Vathy ein Feuer aus. Der Wind trieb es weg vom Lager den Berg hinauf und war am späten Abend halbwegs unter Kontrolle, wie das Insel-Onlineportal "Samos Today" berichtete. Das Lager sei nicht in Gefahr, sagte Bürgermeister Giorgos Stantzos dem Radiosender Thema 104.6. Auch habe es erste Festnahmen wegen des Verdachts auf Brandstiftung gegeben.

Im Flüchtlingslager Vathy auf Samos leben laut dem griechischen Migrationsministerium rund 4600 Migranten, das Lager hat jedoch nur Platz für rund 650 Menschen.

spiegel


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